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NETZWERK |Berliner Projekträume  / Positionspapier  / 

Brief an die Berliner Parteien


An
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, Staatssekretär André Schmitz
Landes- und Fraktionsvorsitzenden der Berliner Parteien im Abgeordnetenhaus
Kulturpolitische Sprecher/innen der Berliner Parteien im Abgeordnetenhaus

 

Betreff: Erhalt und Förderung freier Projekträume und -initiativen

Berlin, den 24. September 2011

Sehr geehrte/r Frau/Herr...,

wir, das Berliner Netzwerk freier Projekträume und -initiativen, vertreten jenen für die Berliner Kunst- und Kulturszene integralen Sektor, in dem Künstler/innen aus aller Welt den notwendigen Freiraum zur Entwicklung ihrer künstlerischer Praxis und Präsentationsorte unabhängig vom Kunstmarkt finden. Eng einher geht damit ein erweitertes Produktionsverständnis, das neben Konzeption und Programm-entwicklung auch die Nachbereitung von Projekten und Produktionen mit einbezieht (vgl. beigefügtes Positionspapier). Durch die fortlaufende Entwicklung neuer künstlerischer Formate und neuer Formen der Kunstvermittlung erfüllen wir darüber hinaus einen wichtigen Bildungsauftrag.

In Berlin gibt es weit mehr als 150 Projekträume und -initiativen, die von der Kulturpolitik bislang wenig Wertschätzung erfahren und deren interdisziplinäre, partizipatorische Arbeitsansätze in der Berliner Förderlandschaft bisher nicht berücksichtigt werden. Diese Räume und Initiativen sind derzeit akut in Gefahr!

Aus aktuellem Anlass fordern wir deshalb, die im Haushaltsentwurf für den Doppelhaushalt der Jahre 2012/13 jährlich eingeplanten 500.000 € für die Präsentation zeitgenössischer Kunst zur Existenzsicherung der Projekträume und -initiativen einzusetzen.

Um sicherzustellen, dass freie Projekträume und -initiativen weiterhin ihren Beitrag zur kulturellen Vielfalt Berlins beisteuern können und zum Erhalt der Vielfältigkeit der Berliner zeitgenössischen Kunstszene, ist sowohl eine

        mehrjährige Infrastrukturförderung wie auch eine
        kurzfristige Entwicklungsförderung Grundlage.

Dies schließt angemessene Honorare für Künstler/innen, Kurator/innen und andere Projektbeteiligte mit ein.

Wir möchten daher gern zeitnah mit Ihnen in Dialog treten, um dieses Kunstverständnis zu diskutieren und Förderungsmodelle im Detail gemeinsam weiter zu entwickeln.

Wir freuen uns auf Ihre baldige Antwort und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit!

Herzliche Grüße im Namen des gesamten Netzwerks,
i. A. Berliner Netzwerk freier Projekträume und -initiativen



 >>> KULTURPOLITISCHES  POSITIONSPAPIER DES BERLINER NETZWERKS

FREIER PROJEKTRÄUME UND KUNSTINITIATIVEN     Stand 16.04.2011                         


 


In den letzten Jahren haben sich durch die besondere Anziehungskraft der Stadt und die noch günstigen Lebensbedingungen viele nicht-kommerzielle Projekträume und Kunstinitiativen in Berlin angesiedelt. Diese Projekträume und Kunstinitiativen bereiten den Nährboden, auf dem eine vitale, innovative und kritische Kunstszene reift, sich ausprobiert und eigene, interdisziplinäre Arbeitsmodelle entwickelt. Sie bieten Freiräume für eine, sich abseits vom Kunstmarkt etablierende, künstlerische Praxis.


Projekträume und Kunstinitiativen sind ein Motor der pulsierenden Kunstszene, sie steigern die Attraktivität Berlins als international anerkannte Stadt der Gegenwartskunst. Das viel beschworene Feld der Kreativwirtschaft besteht aus unterschiedlichen Akteuren und Sparten. Der nichtkommerzielle, experimentelle Kunstsektor, den die Projekträume und -initiativen vertreten, bildet darin einen wichtigen Kompetenzbereich. Zunehmende Kommerzialisierung, wie beispielsweise Verteuerung von Mieten, kann gerade den nichtkommerziellen Kulturbetrieb der Stadt gefährden.

Die gegenwärtige Kultur- und Förderpolitik des Landes Berlin wird der Bedeutung nichtkommerzieller Projekträume und Kunstinitiativen nicht gerecht. Konkret fehlt eine flexible öffentliche Förderstruktur, die die Dynamik selbstorganisierter Projekträume und -initiativen berücksichtigt. Neue Förderlinien und Förderprogramme sind notwendig, um die veränderten, prozessorientierten Produktionsabläufe, die Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen selbstorganisierter Räume zu unterstützen. Nur so können Projekträume und -initiativen ihre Wirkkraft zukünftig nachhaltig entfalten.

 

 

>>> CHARAKTERISIERUNG DER PROJEKTRÄUME UND KUNSTINITIATIVEN

 

Projekträume und Kunstinitiativen bieten Raum für eine künstlerische Praxis, die mehr prozess- als produktorientiert ist, einen kollaborativen und/oder partizipativen Ansatz verfolgt, die dialogische und/oder diskursive Formate einsetzt.

Diese künstlerische Praxis zeichnet sich durch ihre besondere Kontextbezogenheit aus: Der Austausch über gesellschaftlich relevante Themen steht im Vordergrund, künstlerische Arbeitsprozesse werden erfahrbar und ihre Produktionsbedingungen werden mit reflektiert. Aus dieser Praxis, so vielfältig sie sich darstellt, entstehen komplexe Werkformen. Projekte folgen nicht mehr dem üblichen Ablauf bestimmter Projektphasen und deren Präsentationsformen können gängige Ausstellungsformate sprengen. Die strikte Trennung zwischen Produktion/Arbeitsprozess und Präsentation wird aufgehoben, Methoden und Verfahren aus anderen Disziplinen und Sparten werden miteinbezogen. Längere und gewichtigere Vorlaufphasen für das Konzipieren von Projekten sind zum Teil nötig.


Die Arbeitsweise von Projekträumen und -initiativen kommt dieser künstlerischen Praxis entgegen. In ihrer Art der Selbstorganisation können sie flexibel und spontan reagieren. Die kollaborative, informelle Dynamik, die den Projekträumen und -initiativen eigen ist, stellt Nähe zwischen den Raumbetreibern, Initiator/innen, den Künstler/innen, den Kurator/innen, den Mitorganisator/innen, den Beteiligten und den Besucher/innen her. Oft genug ist eine Vielzahl von Menschen aus dem Umfeld des Projektraumes und der Initiative aktiv und übernimmt Aufgaben.

 

Rollen wechseln: Künstler/innen sind Kurator/innen, sind Aufbauhelfer/innen, sind Publizist/innen, sind Projektmanager/innen, sind Kunstvermittler/innen, sind Beteiligte. Projekträume und -initiativen bieten intime Formen der Kommunikation und der Aktion. Dadurch verringern sie die Distanz zu ihren Besucher/innen. Sie sprechen nicht nur das prononciert kunst- und kulturinteressierte Publikum an, sondern geben Impulse an andere Bevölkerungsgruppen.

 

Der intensive Kontakt zu anderen Disziplinen und Sparten (z. B. Theoretiker/innen, Designer/innen, Stadtentwickler/innen, Aktivist/innen) wird vielerorts gepflegt. Über Ausstellungen hinaus und zum Teil unabhängig davon werden Präsentationen, Talks, Kurse, Workshops, Symposien, Fachtagungen und Vorträge organisiert.

Projekträume und Kunstinitiativen vertiefen das Verständnis für Arbeitsprozesse der Kulturproduktion und fördern intensive Kooperationen. Sie helfen innovatives Potenzial zu entdecken, fördern junge, nicht etablierte Künstler/innen und auch jene, die sich bewusst abseits des gängigen Kunstbetriebs positionieren. Projekträume und Kunstinitiativen tragen damit zur Erhaltung der Vielfalt  künstlerischer Praxis bei.


Projekträume und Kunstinitiativen fördern – bei gleichzeitigem Hinterfragen ihrer eigenen Produktionsweise – die Auseinandersetzung mit und die kritische Betrachtung von Formaten. Das Experimentieren mit Präsentationsformen sowie die Offenlegung von Produktionsbedingungen üben auf den Kunstbetrieb Einfluss aus. So finden sich integrale Bestandteile der Praxis selbstorganisierter Projekträume und Kunstinitiativen inzwischen auch dort.

Themen wie z. B. Selbstorganisation und Bildung, Kunst und Aktivismus, Kunst und Wirtschaft finden in jüngster Zeit Eingang in die etablierten Diskurse. Sichtbar ist dies sowohl in Postgraduiertenprogrammen als auch in Biennalen. Auch graduelle Verschiebungen von Präsentationsformaten wie dem Changieren zwischen Ausstellung und Archiv oder zwischen Vortrag und Performance setzen sich als gängige Formate durch.

In ihren Funktionen als Labore, als Experimentierräume, als Orte kritischen Austauschs und der Erprobung neuer Formate sind Projekträume und Kunstinitiativen angemessen zu fördern.

 


>>> WELCHE VERÄNDERUNGEN IN DER FÖRDERPOLITIK HALTEN WIR FÜR NOTWENDIG?

 

Wir brauchen mehr Flexibilität in der Förderstruktur, die Berücksichtigung anderer Förderkriterien und zusätzliche Programme, die über die Projektförderung hinausgehen.
Wir schlagen vor, im Dialog mit der Kulturverwaltung und den politischen
Entscheidungsträgern neue Förderleitlinien und Förderprogramme zu entwickeln, die den Bedürfnissen der dargestellten künstlerischen Praxis und der Arbeitsweise der Projekträume und -initiativen angepasst sind.

Der Bedeutung selbstorganisierter Projekträume für die Kunstszene Berlins entsprechend, befürworten wir eine Erhöhung der Fördermittel, die Projekträumen und -initiativen zugesprochen werden.

Folgende Aspekte müssen dabei gleichwertig berücksichtigt werden.

Für mehr Planungssicherheit brauchen selbstorganisierte Projekträume:

 

  • die Einrichtung einer mehrjährigen Basisförderung (vgl. Theaterbereich), die die Aufwendungen (unabhängig von Projektkosten) und Betriebskosten des/der Projekträume und -initiativen abdeckt;
  • ein erweitertes Produktionsverständnis, das auch Produktionsphasen wie Konzeption, Programmentwicklung, Vor- und Nachbereitung von Projekten und Produktionen miteinbezieht und diese angemessen entlohnt;
  • angemessene Honorare für Künstler/innen, Kurator/innen und andere Projektbeteiligte

Entsprechend der Produktionsweise selbstorganisierter Projekträume bedarf es:

 

  • kürzerer Antragsfristen;
  • der Möglichkeit, zeitnah und unbürokratisch geringe Fördersummen abzurufen (vgl. früheren Feuerwehrtopf des Kulturamts Mitte);
  • des flexibleren Umgangs mit Kostenstellen innerhalb eines bewilligten Budgets;
  • der Wiedereinführung einer Kostenstelle für Unvorhergesehenes;
  • der Berücksichtigung transdisziplinärer und übergreifender Projektansätze, deren Formate sich nicht eindeutig einer Sparte zuordnen lassen.

 

 

Verfasst vom Berliner Netzwerk freier Projekträume und Kunstinitiativen

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Das Berliner Netzwerk freier Projekträume und -initiativen ist ein seit August 2009 existierender loser Zusammenschluss.

Nach einer Bestandsaufnahme von Wünschen, Ideen und Bedürfnissen finden seit Anfang 2010 in einem jeweils anderen Projektraum Arbeitstreffen zu den verschiedenen erarbeiteten Themenschwerpunkten statt.

Ziel des Netzwerks ist, eine langfristige Struktur zu etablieren, um neue Formen von Kooperation und Austausch zu ermöglichen, sich politisch zu artikulieren und für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen einzutreten.

 




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